Sonderforschungsbereich 483

Teilprojekt C2

Wechselwirkung von Eigenspannungen und Schädigungen unter thermisch-mechanischer Werkstoffbeanspruchung nahe der Kontaktfläche von hochbeanspruchten Friktionssystemen
(wurde im Dezember 2005 erfolgreich abgeschlossen)

Dr.-Ing. Tilmann Beck
Prof. Dr.rer.nat. Otmar Vöhringer 
Institut für Werkstoffkunde I 
Karlsruher Institut für Technologie 

In hochbeanspruchten Friktionssystemen wie Kupplungen und Bremsen treten neben rein mechanischen Beanspruchungen bei Übertragung großer Reibmomente thermisch-mechanische Belastungen aufgrund von Temperaturgradienten im Bauteil auf, welche die z. B. durch Flächenpressungen induzierten mechanischen Lastkomponenten um ein mehrfaches überschreiten können [1]. Werden diese thermisch induzierten Spannungen hinreichend hoch, so können sie bei praktisch allen Werkstoffen zur Ausbildung bzw. Veränderung von Eigenspannungszuständen, zu Thermoschockrissen und Verzügen der Bauteile führen. In der technischen Praxis treten fertigungs- und betriebsbedingt häufig Unebenheiten bzw. Verzüge auf, die sich in Form von Welligkeiten und ähnlichen Formabweichungen äußern. Diese führen dazu, dass die Beanspruchung in den erhabenen Bauteilbereichen lokal wesentlich größere Beträge annimmt als in den übrigen Bereichen der Kontaktzone. Dabei bilden sich lokal sog. „Hot Spots“ mit makroskopischen Abmessungen, die je nach den geometrischen Gegebenheiten relativ zur Reibplatte ruhen oder auf ihr mit einer aus den Beanspruchungsbedingungen resultierenden Frequenz umlaufen [2]. Für herkömmliche Reibpaarungen aus anorganischem Material und Metall ist die Entstehung von Hot Spots und deren Auswirkungen hinsichtlich Systemeigenschaften und Verschleiß bekannt [3]. Ein wesentlicher Aspekt der laufenden Antragsphase ist die quantitative Analyse der auch bei Einsatz keramischen Materials beobachteten Hot Spots [4], sowie die wissenschaftliche Durchdringung von deren Auswirkungen auf das Friktionssystem. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere die aus diesen komplex überlagerten thermisch-mechanischen Belastungen resultierenden Veränderungen der oberflächennahen Eigenspannungszustände sowie deren Wechselwirkung mit den im Werkstoff existierenden bzw. bei der Beanspruchung erzeugten Defekten bei der Bewertung des Schädigungsverhaltens berücksichtigt. Die Analyse von Eigenspannungsgradienten und damit einhergehend die Entwicklung alternativer und neuer Messmethoden war eine weitere zentrale Aufgabe der zweiten Antragsphase.
Die friktionsbedingten Belastungen bewirken Veränderungen der mechanischen Eigenschaften der keramischen Werkstoffe in Abhängigkeit vom aufgeprägten Lastniveau, welche mittels geeigneter Methoden analysiert werden können. Ausgehend von den Ergebnissen der ersten Antragsphase [5,6] wurden mehrere Verfahren zur Analyse der Restfestigkeit angewandt. Ziel war zum einen die Identifikation der am besten geeigneten Methode zur Auflösung der eingebrachten Schädigungen. Zum anderen stand die Miniaturisierung von Testverfahren im Vordergrund, um eine möglichst nahe Anbindung an das Demonstrator-Teilprojekt A2 gewährleisten und die Übertragbarkeit der Ergebnisse realisieren zu können.
Ausgehend von diesem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der zweiten Antragstellung wurde als wissenschaftliches Hauptziel des Teilprojekts (TP) C2 die Analyse der komplexen thermisch-mechanischen Werkstoffbeanspruchungen in hochbeanspruchten Friktionssystemen sowie der daraus resultierenden Schädigungen mit experimentellen und rechnerischen Ansätzen definiert. Mit Hilfe der empirisch durch Friktionsversuche, mikroskopische Gefüge-, Oberflächen- und Bruchflächenuntersuchungen, bruchmechanische Analysen und Eigenspannungsmessungen gewonnenen Ergebnisse wird ein Finite Elemente Modell erstellt, das eine zuverlässige Lebensdauerabschätzung des Friktionssystems in Abhängigkeit von Werkstoffzustand und Beanspruchung liefert. Voraussetzung hierfür ist die präzise Analyse der thermisch und mechanisch induzierten Beanspruchungskomponenten. Im Einzelnen sind dies Eigenspannungen infolge der Bauteilvorgeschichte, Lastspannungen senkrecht zur Friktionsfläche aus der Flächenpressung, Lastspannungen parallel zur Friktionsfläche durch das übertragene Drehmoment sowie thermisch induzierte Lastspannungen infolge von Temperaturgradienten zwischen den Kontaktflächen und angrenzenden Werkstoffbereichen sowie thermisch induzierte Lastspannungen infolge der auftretenden Hot Spots. Ausgehend hiervon wird die Wechselwirkung der Beanspruchungskomponenten untereinander, deren Auswirkungen auf das mechanische Verhalten des Werkstoffs, die Entstehung und Ausbreitung von Mikro- und Makrorissen sowie die Lebensdauer der Bauteile analysiert. Die daraus gewonnenen Ergebnisse fließen in die Modellierung des Schädigungs- und Versagensverhaltens ein.

[1] D. Severin, F. Musiol: Der Reibprozess in trockenlaufenden mechanischen Bremsen und Kupplungen. Konstruktion, 47 (1995) 59-68.
[2] F.E. Kennedy, F.F. Ling: A thermal, thermoelastic, and wear simulation of high energy sliding contact problems. Journal of Lubrication Technology, (1974) 497- 507.
[3] A.E. Anderson, R.A. Knapp: Hot Spotting in Automotive Friction Systems. Wear, 135, (1990) 319-337.
[4] A. Arslan, A. Albers: Potenziale Ingenieurkeramischer Werkstoffe für die Anwendung im trockenen Friktionssytem. Tribologie Fachtagung 2002, GfT, Göttingen (2002).
[5] T. Erbacher, T. Beck, O. Vöhringer: Verhalten von Al2O3- Keramik unter Friktionsbeanspruchung. Materialprüfung, (2003), 45, 375-381.
[6] Arbeits- und Ergebnisbericht des Sonderforschungsbereichs 483 für die Jahre 2000 bis 2002. S. 329-371.